Sonntag, 18. November 2012

Locando san vigilio

es ist ein kleinod, dass meine frau auf ihren frühmorgendlichen streifzügen entdeckt hat, auf ihren weg den see entlang, der sich an dieser stelle verengt und entgültig endet.

zwei tagen später, an einem herbsttag, an dem es gerade nicht mehr regnet, zeigt sie es mir. die abzweigung von der seestrasse erwischen wir erst im zweiten anlauf, denn es ist nur dieses landgut an der landspitze. nicht mal eine ortstafel. durch die alee der cypressen, deren älteste inzwischen gefallen und trotz ihrer schlankheit 10 tonnen wiegt.

ein kleines verwunschenes landgut am meer, ein tausend jahre alter olivenbaum, der jede menge geheimnisse zu erzählen hätte, der sich an all die heimlichen liebschaften errinnert, die in heimlicher eile gehuscht oder freudiger erwartung über die mit flusskiesel gepflasterter strasse geschritten.

das haus liegt direkt am wasser und an der seeseite ist sowas wie ein kleiner hafen, viel zu klein um irgendein schiff aufzunehmen aber große genug um einen kahn zu bergen, falls es gilt - mit mantel, degen und einer einzelnen rose -heimlich hier anzulanden und die königin der herzen zu erobern, sie außer landes zu bringen oder wenigstens dein herzblut beim versuch all dessen auf die hafenmauer zu verspritzen.

aber es ist nachsaison, der sommer/ das abenteuer war gestern, und ein paar fröstelnde enten schnatter belustigt über unser hiersein.

es ist die wehmut der frühen herbsttage, die früher oder später in jedem leben eintreffen wird, schön und schwer zugleich, kein großes drama, aber das unvermeidliche entschwinden von etwas das im traurigsten fall ein liebe, im besten fall nur deine jugend war. jene wehmut die nur mit alten schweren roten wein ertragbar ist, bis man davon genug hat, das man die steine die erinnerungen ausdünsten hört. erinnerungen die auch nur an den kalten wintertagen erträglich sein werden, die vor uns stehen bevor das blutrote laub wieder grün wird und aus dem nachbargarten ein kinderlachen herüberweht.

wir gehen weiter. Im hinterhof sitzt eine katze und bewacht ein turm von flaschenkisten.
auf der mauer steht ein kleines mädchen und schenkt meiner frau einen grashalm.
die beiden sprechen miteinander, tauschen höflichkeiten aus wie zwei hofdamen, die einander keine konkurrenz mehr sind. dann die aufgeregten rufe einer mutter, deren horizont nur bis zur drohenden mauerkannte reicht auf der ihre tochter steht und noch nichts von den geschöpfen in der tiefe ahnt.

weitere höflichkeiten - diesmal jedoch eindeutig dem 21. jahrhundert zuordenbar - und der klang einer stimme der erinnerungen wachruft. erinnerungen die bei mir jenseits des bewußtsein bleiben, bis meine frau es mir nachher sagen wird.

verabschiedungen, mutter und tochter ziehen zu ihren auto hinter den weingarten, wir zurück zur allee.

"unverkennbar" sage ich.
"was?" fragt meien Frau.
"Mutter und Tochter" sage ich
"Ja!" sagt die Mutter vom anderen Ende der Wiese.

Ich sollte mir angewöhnen, nicht so laut zu denken.

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