Montag, 22. August 2011

...about grafitti

(taken all factors into acount) - ist graffiti genaugenommen unvermeidbar
(florenz: sommer 2011)
zu groß das bedürfnis des menschen, zu schreiben, sich schreibend zu verewigen, eine botschaft festzuhalten oder lediglich seine gegenwart, seine existenz zu dokumentieren

und da der mensch ein augentier ist, verschönert er in der regeln alles womit er sich umgibt (wie gesagt in der regel)
(florenz - villenviertel)
künstliche flächen glatt zu lassen ist einfach nicht natürlich

die moderne großstadtarchitektur ist im layout und in der texturierung schlichtweg meist ein verbrechen an der gemeinschaft. architektonische entscheidungen werden von menschen getroffen die dort nicht leben werden wo sie bauen lassen, von politikern die keine vorstellungsvermögen haben, von bauherren die aufgrund eines modelles im maßstab 1:72 entscheiden (und auf dem eine einfache glatte fläche aufgeräumter aussieht als jedes lebende gebäude - außerdem sind die architekt-modell-bastler richtige stümper gegen einen durchschnittlichen games-workshop-freizeit-modellierer)

(Perugia: öffentlicher raum ohne graffiti-notwendigkeit)

in der klaren, glatten struktur unserer städte, in denen die sonnestrahlen nicht mehr diffundieren sonder voll absorbiert oder voll reflektiert werden, ist es logisch das unsere städte aufgeheizt werden, das hier das blut gekocht wird aus dem die anarchie erwachsen muss.

gleichzeitig wird die kunst im öffentlichen raum immer kälter, nichts was man nach einem harten tag arbeit noch gerne ansehen will. denkmäler die die schuld zelebrieren. der öffentliche raum wird permannet neu designt und jedesmal aufs neue versaut, weil er keinem raum der chaotischen selbstgestaltung lässt. und der raum, der so gestaltet wird, dass hier abends die sandler nicht schlafen können, dort wird auch tagsüber kein banker sein kaviarsandwich jausnen.

graffiti ist in diesem sinne auch ein verzweifelter hilferuf, die letzte lösung um den raum wieder zu re- und entstrukturieren. um die leere zurückzudrängen. um das grau einzufärben.
(florenz: künstlerische entschädigung für eine weitere geschlossen kirche)

das hinterlassen 2-dimensionaler abbildungen auf einigermaßen ebenen oberflächen ist dem menschen inzwischen angeboren. kleinkinder wissen mit einem stück kreide genausoschnell was anzufangen wie mit einem stock.
graffiti ist aufforderung

graffiti ist statement
(florenz: vor den uffizien)

graffiti ist kunst

graffiti ist gegenkunst
(florenz: vor den uffizien)

grafitti ist aber auch oft das denkmal, dass sich jeder schon zu lebzeiten selber setzen kann. der zwar lästige aber nachdrückliche beweiß: "ich habs geschrieben, als war ich hier, ich habe existiert!"  (so wie die norwegische runen an der noramerikanischen küste).
und da viele der grafitties an den sehenswürdigkeiten wenig individuellen zuordnungswert haben ("peter, 27.3.2010" ist am turm von florenz nicht wirklich signifikant weil an dem tag vermutlich ein paar hundert von der art oben waren) ist auch hier anzunehmen, dass das was geschrieben wird, nicht primär für den leser geschrieben wird sondern vom author für den author, weil wir alle vermutlich selbst am meisten an unserer eigenen existenz zweifeln.

grafitti ist dann eben sowas wie ein ruf in die einsame nacht, wie ein witz dessen lachen dass er verursacht nicht mehr hören werden.


das problem mit graffiti ist das gleiche wie mit drogen - es gibt zuviel schlechtes zeug davon

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